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Vom Stress mit Holzlastern im Kreisverkehr, schwarzem Theater und dem Umgang mit Burnout in der beruflichen Reha

Obwohl die Arbeitnehmer zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts körperlich anstrengenderen Tätigkeiten und deutlich längeren Arbeitszeiten ausgesetzt waren, konnten sie mit der Belastung und dem Stress ihrer Arbeit und ihres Alltags doch scheinbar deutlich besser umgehen als die Menschen von heute. Ständige Erreichbarkeit, Termindruck, Hetze: Führt die zunehmend von Technologie und digitaler Optimierung geprägte Arbeitswelt zu krankhafter Erschöpfung und Burnout? Dieser Frage gingen die rund 60 Tagungsgäste und die Vertreter des Berufsförderungswerkes Eckert bei der Reha-Fachtagung am 12.10.2017 unter dem Titel „BURNOUT: schneller, agiler, digitaler – bis zur Erschöpfung? Eine brandgefährliche Entwicklung und besondere Herausforderung für die berufliche Reha“ nach.

Interessante Fachvorträge und spannende Workshops erwarteten die Teilnehmer zur Rehafachtagung 2017
Interessante Fachvorträge und spannende Workshops erwarteten die Teilnehmer zur Rehafachtagung 2017

Das Foyer der Hotelfachschule diente heuer erstmalig als Tagungsort. Die angenehme Atmosphäre der Räumlichkeit kam dem gegenseitigen Austausch untereinander von Anfang an zu Gute. Nach einem entspannten morgendlichen Get Together wechselte die Tagungsgesellschaft zur Überraschung aller Teilnehmer in den Theatersaal des Berufsförderungswerkes - und dann wurde es dunkel, um nicht zu sagen schwarz. 

„Kaputt“ so titelte das 15 minütige Stück der Theatergruppe des BFWs unter Leitung von Michael Jungbauer, Sozial- und Integrationsberater am BFW Eckert. Im Stile des „Schwarzen Theaters“ wurde in eindringlicher und professioneller Weise die Abwärtsspirale des Protagonisten in den Burnout illustriert. Nach dem begeisterten Applaus eröffnete Friedrich Reiner, Geschäftsführer des BFW, die Reha-Fachtagung dann ganz unkonventionell direkt vor der Theaterbühne mit den Worten „Ein ungewöhnlicher Einstieg an einem ungewöhnlichen Ort .…“

Wieder im Foyer der Hotelfachschule angelangt ergriff Professor Dr. Reinhart Schüppel, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Innere Medizin, Sozialmedizin, Naturheilverfahren und Chefarzt an der Johannesbad Fachklinik Furth im Wald, das Wort:

„Burnout im Kontext einer digitalisierten Arbeitswelt“

Vier große Einflüsse unserer Zeit hat Professor Schüppel als Ursachen für die wachsende Gefahr des „Ausbrennens" am Arbeitsplatz identifiziert: das Ausbleiben einer versprochenen Belohnung (Gratifikationskrise) sowie gefühlte Ungerechtigkeit, beispielsweise, wenn ein Kollege mehr Geld für die gleiche Arbeit bekommt. Der dritte Faktor ist die Wochenarbeitszeit: „Alles über 55 Stunden pro Woche birgt ein Zusatzrisiko für Depression, Schlaganfall und Herzinfarkt“, so der Psychosomatiker. Der vierte Faktor ist das Gefühl, über die eigene Situation keine Kontrolle, keine Entscheidungs- und Lösungsoptionen mehr zu haben.

Was kann jeder einzelne dafür tun, dass die Arbeit 4.0 die Seele nicht krank macht? „Jeder kann seine Resilienz trainieren, also die Fähigkeit, mit Stress umzugehen und den eigenen Stresslevel zu senken“, sagt Professor Schüppel und illustrierte seine Überlegungen zur Stressbewältigung humoristisch mit einem Holzlaster vor der Nase, der ihm den Fahrweg zum nächsten Termin sichtlich zur Hölle macht. Den Stress annehmen und Lösungen suchen. Dazu gehöre es auch, selbst aktiv zu steuern, dass die Arbeit nicht auch den kompletten Feierabend und das Wochenende dominiere. Im Beruf sei es wichtig, die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit zu erkennen, um nicht in einen Kreislauf aus Erschöpfung, Zynismus und Hass auf den eigenen Job zu verfallen. Für seinen lebendigen und aufschlussreichen Vortrag erntete Professor Schüppel lange anhaltenden, anerkennenden Applaus. In einer anschließenden regen Diskussionen und den Fragen im Anschluss wurde die Aktualität und kulturelle Relevanz des Tagungsthemas nochmals deutlich gemacht.

Nach der wohlverdienten Mittagspause eröffnete Friedrich Geiger, Leiter der Fachdienste am BFW Eckert, die zweite Runde:

„Burnout in der beruflichen Reha - Relevanz und praktische Hilfestellungen 
am BFW Eckert“

Nach einer allgemeinen Definition der Symptome und Faktoren, die zu Burnout führen, ging der Leiter der Fachdienste auf die Wechselwirkung zwischen der veränderten Arbeitsstruktur in der digitalen Berufswelt und persönlichkeitsbezogene Dispositionen ein. „Es ist immer ein Zusammenspiel zwischen exogenen Faktoren, die in den Arbeitsbelastungen liegen können, wie beispielsweise berufliche Unsicherheit, ständige Erreichbarkeit, Entgrenzung sowie persönlichkeitsbezogenen, individuellen Eigenschaften wie Einstellungen zur Arbeit, mentaler Stärke und dem allgemeinen gesundheitlichen Wohlbefinden“, so Geiger. Hier betonte der Diplom-Psychologe nochmals, dass die Belastungsgrenze eines jeden Einzelnen individuell sei und stark von den eigenen Ressourcen abhänge. Diese Tatsache lasse sich auch sehr gut am Lern- und Belastungsverhalten der Rehabilitanden einer Umschulung ablesen.

Allerdings laute die Diagnose betroffener Umschüler nicht immer Burnout. „Nur 1% aller Rehabilitanden kommen mit der Diagnose Burnout ans BFW“, so Geiger. „Dies wundert nicht, denn Burnout besitzt keinen eignen Diagnoseschlüssel, sondern begegnet uns in larvierter Form als Symptom von schweren psychischen Erkrankungen wie Depression und Sucht.“

An dieser Stelle zeichnete Geiger den Weg eines Burnout-Betroffenen über die berufliche Rehabilitation zurück in die Arbeitswelt nach und stellte auf diesem Wege die verschiedenen Workshops zum Tagungsthema vor, die allesamt dem Werkzeugkoffer des BFWs zur Prophylaxe und Behandlung des Burnouts entnommen waren. Die Tagungsgäste konnten sich bereits im Vorfeld in die Workshops eintragen. 

Nach den individuellen Erfahrungen in den jeweiligen Workshops wurden die erarbeiteten Ergebnisse im Plenum vorgestellt und sind auf den Folgeseiten nachzulesen. Auch die abschließende Reflektion der Workshop Ergebnisse erfreute sich einer regen Beteiligung und zeigte die Bedeutung des Themas Burnout für die Tagungsgäste. „Wenn es Ihnen gefallen hat, sagen Sie es weiter und kommen Sie wieder … zur Reha-Fachtagung 2018 am Berufsförderungswerk Eckert“, beendete Friedrich Reiner die Veranstaltung.

IMPRESSIONEN